Hannahs Herzblut hinter Glas

Kulturereignis! Kleidchen! Sekt! Durch Covid-19 wussten wir ja fast gar nicht mehr, wie sowas geht 😉

Wir wurden von Hannah Schemel eingeladen, zur Vernissage des Kunstpreises der Heinrich-Vetter-Stiftung 2020 nach Mannheim zu kommen. Im Port25 wurde die Ausstellung der Gewinner gezeigt. Hannah Schemel hatte den Förderpreis für ihre wunderschönen Prints bekommen. Joscha Steffens den Hauptpreis.

Joscha Steffens überzeugte die Jury mit ausdrucksstarken Fotos von Gamern. Seine digitalen Portraits – entrückte Gamer mit starrem Blick und in blaues Licht getaucht – sind sehr stark. Größer als Lebensecht, auf Acryl, sie glänzen unwirklich und wie in Plastik gegossen. In Videos zeigt er zusätzlich noch ihre Hände, die in unbegreiflicher Geschwindigkeit die Maus bedienen. Bis hierhin war ich super glücklich. In einem Nebenraum stand dann leider eine große Glocke/Ufo und ein wackelnder Schwarzweiß Film wurde in dem dunklen Raum an die Wand projiziert. Auf Beleuchtung zu verzichten und mit einer wackligen Handkamera durch die Gegend zu rennen, machts nicht automatisch zu Kunst, wie man hier wieder sehr schön sieht. In diesem dunklen Raum hatte ich Platzangst, und auch das Licht der Vitrinen mit Liebesbriefen vom Onkel, die er im Krieg verschickt hat, konnte mich nicht beruhigen. Diese Zusammenstellung von Metalldings, Dunkelheit, wirres Zeug an den Wänden und zu persönliche Briefe, die der Verfasser vielleicht nicht in einer Ausstellung selbst gezeigt hätte… fand ich verwirrend und zusammengestückelt. Es bleibt der schale Geschmack, dass erst die Kuratorin hinterher ein Gesamtbild daraus gestrickt hat. Die Portraits und die Videos der Hände hätten mir völlig genügt und hätten für mich ein runderes Bild abgegeben. Aber – am Besten selbst mal hingehen – vielleicht bin nur ich so engstirnig und kapiers halt nicht.

Nun zur (meiner Meinung nach) eigentlicher Hauptpreisträgerin.

Erfrischend, mit einer fast heiligen Ruhe sind dagegen die Papierarbeiten von Hannah Schemel. Platinprints, auf handgeschöpftem Papier von John Gerard, speziell für sie hergestellt.

Ich habe schon gesehen, wie Hannah arbeitet. Wie sie mit einer unglaublichen Geduld am Meer stehen kann, stundenlang auf eben diese Welle wartend, um sie auf Großformat zu bannen. Wie sie für dieses Bild über weite Strecken die schwere Kamera und Stativ schleppt. Und dabei eine Gelassenheit, Stille und Leichtigkeit ausstrahlt. Vom Entwickeln des Negativs an, Vorbereiten des Papiers, wie sie gelassen die chemischen Prozesse ausführt: Das alles sieht man den Drucken an.

Sie ist ihre eigene Kuratorin. Schon bevor sie das erste Foto macht, hat sie genau im Kopf was sie möchte. Wie sie es zusammen stellen wird. Es ist ihr jederzeit vollkommen klar, was diese Fotos für sie selbst bedeuten, und auch für ihre Umwelt. Wie sie ihre Erfahrungen aus Japan mit einbringt und kalligraphisch anmutende Werke schafft – das haut mich einfach völlig um.

Kein Wunder, das an diesem Abend viele nach der Preisliste gegriffen haben… So einen Ruhepool für sich selbst zuhause besitzen…? Einfach nur JA. Ich werde noch ein bisschen sparen, und mir bei der nächsten Gelegenheit auch einen „echten Schemel“ ins Wohnzimmer hängen.

Die Ausstellung läuft noch bis 30.8.20 – Port25 Raum für Gegenwartskunst

Technik: eine kleine Mittelformat-Balkenkamera (Franka) und die Rolleiflex. Franka hat ein bisschen den Film verdaddelt, dieser war schon zu lange drin und hat Streulicht abbekommen. Die Rolleiflex dagegen war brav wie immer.

Star der Show waren ja eigentlich nicht die Künstler, sondern der süße Hund. Das muss ja jetzt doch auch mal irgendwo gesagt werden.

August 9, 2020

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